27.09.2021

Kooperation mit der IGS Alexej von Jawlensky Schule

Die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung ist Träger und Bauherr des neuen Museums Reinhard Ernst. Eine Institution, die sich seit deren Gründung im Jahr 2004 für Kunst und Kultur, den Denkmalschutz sowie ganz besonders für Kinder und ältere Menschen einsetzt. Daher war es dem Stifterpaar sehr wichtig, dass bei der Planung und Realisierung des Museums gerade auch die jungen Menschen berücksichtigt werden und die Gelegenheit bekommen, das Feld der abstrakten Kunst kennenzulernen. So wird Reinhard Ernst nicht müde zu betonen, dass die Vormittage im Museum den Schüler:innen, Student:innen sowie ihren Lehr- und Ausbildungskräften gelten werden. Neben den Ausstellungsräumen steht ihnen im Museum ein ganz besonderer Kreativraum zur Verfügung, wobei man Pinsel und Farbtöpfe dort vergebens suchen wird.

Einen Eindruck von der Schaffenskraft und der Interpretation abstrakter Kunst ist aktuell anlässlich der Bauzaun-Ausstellung „Abstraktion im Quadrat“ entlang der Baustelle an der Ecke Wilhelmstraße/Rheinstraße zu sehen. Jugendliche von elf pädagogischen Einrichtungen in Wiesbaden haben 76 fantastische Werke im Format 1 x 1 Meter und damit die 114 Meter Holzzaun um die Baustelle verschönert.

Mit der Ausstellung knüpften sich aber auch längerfristige Kontakte zu den Schulen. Unter anderem wurde zusammen mit der IGS Alexej von Jawlensky Schule eine Kooperation geschlossen. Diese beinhaltet neben maltechnischen Utensilien schon jetzt den Zugang zur Sammlung, der wissenschaftlichen Expertise und diversen Projekten. Ein Glücksfall waren die engagierten Lehrkräfte Elena Hartmann, Lisa Guhrsch und Esra Hofacker, die frühzeitig Abstrakte Kunst in den Lehrplan integriert haben.

Wie sich diese Initiative seit der Vernissage entwickeln konnte und wie die letzten zwölf Monate mit den jungen Künstler:innen in Corona-Zeiten gestemmt wurde, berichten uns die drei Lehrkräfte im Interview.


Wie war das Feedback zu „Abstraktion im Quadrat“?

Die Schüler:innen, die an diesem Projekt teilnehmen durften, waren alle begeistert. Sie haben das kreative Arbeiten im Freien sehr genossen und fanden es spannend, neue Maltechniken auszuprobieren. Außerdem waren sie unglaublich stolz, dass ihre Kunstwerke auf der Wilhelmstraße ausgestellt werden und so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sind. Der Besuch und die Berichterstattung der Hessenschau trugen zusätzlich dazu bei, dass die Schüler:innen sich und ihre Arbeiten sehr wertgeschätzt fühlten.

Was nehmen die Schüler:innen von einer Kooperation zwischen dem Museum Reinhard Ernst und Ihrer Schule mit?

Wir stehen noch am Anfang der Kooperation, und unsere Schüler:innen haben sich im vergangenen Schuljahr das erste Mal mit abstrakter Kunst beschäftigt. Ein Aspekt, der am häufigsten genannt wird, ist die Erkenntnis, wie schwer es ist, ein abstraktes Kunstwerk zu gestalten. Das hat auch dazu beigetragen, dass die Vorurteile gegenüber der abstrakten Kunst – „Das kann doch jeder!“ – abgebaut wurden und eine neue Wertschätzung gegenüber dieser Art von Kunst entwickelt wurde. Die Schüler:innen schätzen nun die abstrakte Kunst mehr und setzen sich ganz konkret mit den Maltechniken auseinander, die dahinter stehen. Wir beobachten einen enormen Wissenszuwachs zu Formensprache, Positionierung im Bild und Farbgebung.

Leider hat Corona unsere Ambitionen ausgebremst und der Schulalltag wurde auf den Kopf gestellt. Welche Ideen, Ansätze und Projekte gibt es für dieses Schuljahr?

Glücklicherweise konnten einige Schüler:innen der Jahrgänge 9 und 10 bereits im vergangenen Schuljahr im Unterrichtsfach „Abstrakte Kunst“ zahlreiche Künstler der Sammlung Ernst nicht nur in der Theorie kennenlernen, sondern deren Techniken auch in der Praxis erproben. Dieses außergewöhnliche Wahlpflichtfach wird auch in diesem Schuljahr für die 9. und 10. Klassen angeboten. Sie werden im Laufe des Schuljahres jede:r an einem großformatigen Kunstwerk arbeiten. In Jahrgang 5 wird die abstrakte Kunst und das Museum Ernst dieses Jahr erstmals thematisiert. In den vergangenen Jahren stand hier vor allem das Museum Wiesbaden und der Namensgeber unserer Schule im Mittelpunkt. Dieses Jahr möchten wir den Fokus etwas verschieben. Der obligatorische Besuch im Museum Wiesbaden bleibt natürlich fester Bestandteil, zumal es seit dem 17. September die Ausstellung „Alles! 100 Jahre Jawlensky in Wiesbaden“ gibt. Gleichzeitig möchten wir aber auch die Schüler:innen auf das neue Museum Reinhard Ernst neugierig machen und planen vor Ort eine kleine Rallye. Das Wissen über das „alte“ und das „neue“ Museum soll auch in diesem Jahrgang nicht nur theoretisch erarbeitet werden. Für die Praxis möchten wir auch eine Verbindung zwischen beiden Museen herstellen, nicht zuletzt da die Schüler:innen, wenn sie mit den abstrakten Jawlensky-Köpfen vertraut sind, hier eine wunderbare Brücke zur Geschichte der abstrakten Kunst im Museum Ernst schlagen können. In der praktischen Arbeit wird es darum gehen, dass die Schüler:innen zunächst im Stil Jawlenskys malen und im Anschluss daran ihre eigenen, neuen Werke abstrakt verfremden. Das Highlight des Schuljahres soll eine Malaktion im öffentlichen Raum im Sommer 2022 werden. Wir möchten noch nicht alle Details verraten, aber vor der Eröffnung des Museums werden die Schüler:innen bei „MRE Open Air“ interessierten Wiesbadener:innen einen Einblick in ihre praktische Arbeit geben und somit auch auf die Sammlung Ernst neugierig machen.

War es schwierig die Schüler:innen vom motivbezogenen Malen zur abstrakten Ausdrucksweise zu bekommen?

Ja, tatsächlich fällt den meisten Schüler:innen dieser Schritt manchmal sehr schwer. Es bedarf an dieser Stelle viel Input von uns als Kunstlehrer:innen. Wir sehen es als eine Bereicherung und Herausforderung an, unsere Schüler:innen für die Themen Farbe, Fläche, Raum und Wirkung in der abstrakten Kunst zu sensibilisieren.

Wie verankern Sie und Ihre Kolleg:innen das Thema abstrakte Kunst und die Inhalte der Sammlung Reinhard Ernst in den Lehrplan?

Die Erweiterung des schulinternen Curriculums ist ein Prozess, der leider coronabedingt zeitweise pausieren musste. Wir stehen noch am Anfang, sind jedoch sehr froh, dass wir bereits letztes Schuljahr das Wahlpflichtfach „Abstrakte Kunst“ etablieren konnten. Dieses Jahr liegt der Fokus nun auf den jüngeren Schüler:innen. Zunächst werden die Gegensätze aber auch die Gemeinsamkeiten mit dem Museum Wiesbaden mit seinen Werken im Fokus stehen. Als Kulturschule möchten wir langfristig neben dem praktischen Arbeiten im Kunstunterricht auch erreichen, dass unsere Schüler:innen Botschafter für das Museum Reinhard Ernst werden und das es nach der Eröffnung auch als „ihr Museum“ verstehen.

Aus pädagogischer Sicht: Was können Schüler:innen von der abstrakten Kunst lernen?

Anfangs steht vor allem der Unterschied zur Gegenständlichkeit. Der Kunstbegriff der Schüler:innen wird erweitert und ihre ästhetische Wahrnehmung vertieft. Abgesehen davon, dass die Schüler:innen die Künstler:innen und ihre Werke besser verorten können, geht es beim Kennenlernen und Verstehen der abstrakten Kunst häufig um das „Warum?“. „Ist das wirklich Kunst? Das kann doch jeder malen“ waren zu Beginn häufige Bemerkungen unserer Schüler:innen. Trotzdem macht sie abstrakte Kunst neugieriger als gegenständliche Kunst, da sie sie auf den ersten Blick nicht verstehen. Sie wirft viele Fragen auf, z. B. „Warum malt der Künstler das so und nicht anders?“ oder „In welchem Zusammenhang ist das Kunstwerk entstanden?“ Diese und andere Fragestellungen sind eine Bereicherung – nicht nur für den Kunstunterricht, sondern auch für die persönliche Entwicklung der Schüler:innen.

Vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns sehr auf die „MRE Open Air“ im Sommer 2022 und darauf, Sie alle im Museum Reinhard Ernst begrüßen dürfen!