21.07.2021

Bautenstandsbericht vom 20. Juli 2021

Was hat sich Neues auf der Baustelle an der Wilhelmstraße 1 getan? Der Innenhof des Museums Reinhard Ernst ist fertig verglast – auf das Glas kommen wir im weiteren Verlauf des Beitrags noch näher zu sprechen. Der Natursteinleger betreut das nachgelagerte Gewerk; entsprechend konnte er bereits damit beginnen, im Atrium Teile der Granitfassade anzubringen. (Zu Herkunft und Bearbeitung des Steins finden Sie hier detaillierte Informationen.)

Im Gebäude wird fleißig an der Haustechnik gearbeitet. So ist zu sehen, wie Trassen für Elektroleitungen montiert werden. Aber auch neue Wasser- und Lüftungsleitungen ziehen sich täglich meterweise durch das Museum. Im Erdgeschoss wurden Trockenbauwände gestellt. Die großen roten Stahlträger, die die Decke vom späteren Museumsshop gestützt haben, sind zwischenzeitlich verschwunden. Sie wurden in nächtlicher Aktion demontiert und entfernt, damit der Verkehr an Wilhelm- und Rheinstraße tagsüber ungehindert weiterfließen konnte.

Derzeit werden im „Burggraben“ um das Gebäude weitere Versorgungsleitungen gelegt und Rigolen gesetzt. Rigolen sind große, schwarze Kanister, die in die Erde eingelassen werden. Sie fangen Regenwasser auf und verlangsamen dessen Einleitung in den Kanal, damit die Kanalisation auch bei starkem Niederschlag nicht überlastet wird. Für eine zusätzliche Rückhaltung des Regens wird eine Bepflanzung auf dem Dach sorgen. Die Mäandermatten, auf denen die Saat erfolgt, liegen schon bereit. „Grüne Dächer“ sind nicht zuletzt aufgrund der Klimaveränderungen eine sinnvolle Investition für die Umwelt.

Auf dem Dach wird in wenigen Tagen eine Dichtigkeitsprüfung durchgeführt. Dafür befeuchtet man das Dach mit einem Wasserfilm und setzt ihn unter leichte Stromspannung. Dort, wo Spannungsverlust ausgemacht wird, könnte sich ein Leck befinden. Aber Jasmin Veigel, die Projektleiterin von schneider + schumacher, ist sich sicher: „Das Dach ist dicht.“

Wie versprochen nun ein genauerer Blick auf das Glas, das im Museum Reinhard Ernst verbaut wird. Geliefert werden die Glasfassaden vom Allgäuer Unternehmen Rupert App in Leutkirch. Das Museum Reinhard Ernst befindet sich dabei in guter Gesellschaft: Zu den deutschlandweit über 200 Bauprojekten, an denen App mit seinen Fassaden beteiligt war, zählen der „neue“ Henninger Turm, das Goetheplaza und der Taunusturm in Frankfurt, das Paulaner-Gebäude in München, das Porsche-Museum in Stuttgart, die Zeppelin-Universität in Friedrichshafen oder das futuristische „JOH3“ in Berlin. App betreibt drei Werke – für Fassadenbau, für Stahlbau und für die Fertigung von Aluminiumrahmen. Am Standort in Leutkirch arbeiten rund 270 Beschäftigte.

Die Glasfassaden im Museum Reinhard Ernst bestehen aus sechs Zentimeter starkem Dreifach-Isolierglas. Sie erfüllen sowohl klimatische als auch schalldämmende Anforderungen. Wärme bleibt drinnen, Kälte draußen. Geräusche werden um 45 Dezibel verringert – Vogelgezwitscher ist im Haus vermutlich nicht mehr zu hören. 1.200 Quadratmeter Glas – die Fläche eines Olympischen Schwimmbeckens – werden im und am Museum verbaut. Die größte Glasscheibe, die im Atrium des Museums montiert wurde, misst 2,5 x 6 Meter und wiegt 1,1 Tonnen. Würde man alle Fensterflächen im Museum auf eine Waage stellen, würde sie 88.000 Kilogramm anzeigen – das entspräche 14 ausgewachsenen Elefanten (und einem Baby-Dickhäuter).

Wie schon in früheren Bautenstandsberichten möchten wir auch diesmal wieder einen am Museumsbau beteiligten Menschen persönlich vorstellen – in diesem Beitrag passend zum Schwerpunktthema Glas:


Oliver Kirner (Foto: Q)

Oliver Kirner ist Oberbaustellenleiter der Firma App. Dass er im Allgäu geboren und aufgewachsen ist, verrät seine Sprachfarbe. Kirner stammt direkt aus Leutkirch – also dem Ort, in dem auch die Fassadenelemente des Unternehmens Rupert App entstehen. Schon als Teenager übte er dort Ferienjobs aus, nach der Schulzeit absolvierte er bei App eine Schlosserlehre. Weil er sie als Jahrgangsbester abschloss, erhielt er das Angebot, noch eine zweieinhalbjährige Ausbildung als technischer Zeichner anzuschließen. Die erworbenen planerischen Fähigkeiten konnte Kirner erstmals vor Ort am Henninger Turm in Frankfurt einbringen, dort arbeitete er bis 2016. Danach wirkte er in Heilbronn beim Bau des Wissenschafts- und Erlebnisgebäudes „experimenta“ mit. Als es um die Errichtung der Lidl-Deutschlandzentrale in Bad Wimpfen ging, vertraute man ihm bereits den Posten als Oberbaustellenleiter an. Und nun trägt Kirner als gerade einmal 27-Jähriger die Verantwortung für die Glasfassaden vom Museum Reinhard Ernst. Zu seinen Aufgaben zählt, rechtzeitig das benötigte Material abzurufen sowie die fachgerechte Anbringung von Profilen und Glas zu überwachen. Als Nächstes steht die Verglasung des Bistro-Raums an, die Säulen für die Pfostenriegelfassade warten dort bereits.

Von Montag bis Donnerstag übernachtet Oliver Kirner in einer möblierten Wohnung in der Wiesbadener Innenstadt. Donnerstagabends geht es in knapp vier Stunden Autofahrt zurück in die Heimat, wo er freitags im Stammhaus der Firma App Büroaufgaben erledigt. Dass er nur am Wochenende zuhause sein kann, stört Kirner nicht weiter. Natürlich vermisst er seine Freundin, auch die Allgäuer Natur und den Alpenblick (so heißt übrigens ein Stadtteil in Leutkirch). Aber sein Job sowie die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen an der Baustelle bereiten ihm viel Freude, außerdem findet er die hessische Landeshauptstadt sehr lebenswert. Kürzlich kam seine Freundin zu Besuch; zu zweit schlenderten sie durch die Wiesbadener City und fuhren mit der Nerobergbahn hinauf, um die Aussicht auf die Stadt zu genießen. „Wiesbaden ist wirklich schön!“ Gegen Fernweh hilft vielleicht auch ein Stück Baden-Württemberg, das in seinem Baucontainer auf dem Schreibtisch steht: Eine Tasse mit dem Logo des VfB Stuttgart …

Für abstrakte Kunst hat Oliver Kirner bislang noch kein Faible entwickelt. Im Februar 2022 wird er seine Aufgabe in Wiesbaden erfüllt haben, doch nach der Eröffnung des Museums Reinhard Ernst kehrt er auf jeden Fall zurück. Dann wird er nicht nur durch „seine“ Glasfassaden, sondern natürlich auch auf die ausgestellten Gemälde schauen.

Zuletzt sei noch auf ein Gerät hingewiesen, mit dem der Allgäuer seinen Containerraum ausgestattet und sämtliche Mitwirkende auf der Baustelle tief beeindruckt hat: Sein „Wurster“ erfüllt die Träume aller Handwerker. „Man kann damit Würste ringsum perfekt anbraten – ganz ohne Fettspritzer!“ schildert Kirner begeistert. Sogar die Dicke der eingelegten Würste lässt sich einstellen. „Man schiebt den Knopf wie bei einem Toaster einfach nach unten, und nach der festgelegten Bratzeit springt oben die essbare Wurst heraus.“ Michael Müller (den wir hier vorgestellt haben) soll sich diese Wundermaschine nun ebenfalls zugelegt haben. In der Wilhelmstraße 1 entstehen daher nicht nur Räume für abstrakte Kunst, sondern offensichtlich auch kulinarische Trends.

(Fotos vom Museumsbau: Frank Marburger/Klaus Helbig)