Ungegenständlich, dynamisch, lyrisch – diese Worte beschreiben das Werk des frühen Abstrakten Alfons Klühspies. Der Nachlass des Würzburger Künstlers wird seit seinem Tod 1975 in Wiesbaden von seiner Tochter verwaltet. Als vor einigen Jahren der Bau des Museums Reinhard Ernst beschlossen wurde und somit in Wiesbaden ein Ausstellungshaus ausschließlich für abstrakte Kunst ansässig sein wird, trat die Tochter des Künstlers an die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung heran. Sie lenkte die Aufmerksamkeit der Stifter auf das umfangreiche Werk des Malers.
Im März 2021 kam es schließlich zu einer Schenkung an die Stiftung. Eines der Hauptwerke von Alfons Klühspies aus seiner starken Schaffensphase der fünfziger Jahre – die Komposition von 1958 – ist nun Teil der Kunstsammlung Reinhard Ernst. Das Gemälde erregte in den Ausstellungen des Künstlers viel Aufmerksamkeit und wurde unter anderem als Kunstbeilage im Jahrbuch 1991 des Statistischen Bundesamtes mit einer Auflage von 18.000 Stück publiziert.
Alfons Klühspies, 1899 in Birkenfeld nahe Würzburg geboren und aufgewachsen, studierte ab 1920 an der Frankfurter Städelschule und erhielt eine Ausbildung in klassischer Malerei. Doch schon zu dieser Zeit verfolgte der junge Künstler aus eigener Motivation einen ungegenständlichen, abstrakten Stil. Dies war insofern eine Besonderheit, als die ungegenständliche Malerei in Deutschland erst seit 1910 durch Wassily Kandinsky und später Alexej von Jawlensky Einzug fand – um nur zwei prominente Vorreiter der Abstraktion zu nennen. Die Ausbildung an den Hochschulen war weitestgehend klassisch geprägt. Selbst mit der Etablierung des Weimarer Bauhauses wurde eine freie Lehre der Künste noch lange nicht allgemein anerkannt.
Nach Abschluss seines Studiums verbrachte Klühspies ein Jahr in der Kunstmetropole Paris und übersiedelte anschließend nach Berlin. In seiner Atelierwohnung arbeitete er produktiv weiter, wenngleich ihm die zeitgeschichtlichen Entwicklungen Einhalt geboten und seiner freien Entfaltung beraubten. 1944 wurde sein Atelier bei einem Luftangriff völlig zerstört. Nahezu das komplette Frühwerk des Künstlers fiel den Flammen zum Opfer. Bis 1946 wurde Klühspies in Kriegsgefangenschaft gehalten.
Mit der Rückkehr in seinen Geburtsort baute er sich eine neue Existenz auf. Seither war Klühspies als freischaffender Maler in der Region Mainfranken tätig. Auch wenn er eher als künstlerischer Einzelgänger galt und keine feste Verbindung zur zeitgenössischen Kunstszene pflegte, so tauschte er sich doch mit einigen Gleichgesinnten aus: In den 1960er Jahren entwickelte sich beispielsweise der Kontakt zu Otto Ritschl, der sich in den zwanziger Jahren zeitgleich in Paris aufhielt und den Klühspies schließlich persönlich kennenlernte.
Seit jeher der Abstraktion verbunden, öffnete sich Klühspies Experimenten in seinem eigenen Stil und suchte verschiedene Methoden des Farbauftrags und der Farbgebung. Durch sein Werk zieht sich die Verbindung zum Dynamischen, Musikalischen, gar Lyrischen. Die mäandernden Formen seiner Bilder erzeugen für Klühspies Kraftfelder, die permanent die „Schwingung einer universalen Harmonie aufspüren“.
Die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung bedankt sich herzlich bei der Nachlassverwalterin des Künstlers dafür, dass ein weiteres Gemälde eines frühen Vertreters der Abstraktion Einzug in die Kunstsammlung für das Museum Reinhard Ernst gefunden hat.