16.11.2021

Interview mit Martin Schmied: Der technische Herzschlag des Museums

Es ist ein wunderschöner Herbsttag im November. Die Sonne reflektiert an der weißen Granitfassade, im Museum und im Baucontainer herrscht Hochbetrieb. Ich bin mit Martin Schmied, im Museum Reinhard Ernst für die Gebäudetechnik zuständig, auf der Baustelle verabredet und komme genau richtig: Herr Schmied ist in seinem Baubüro umgeben von Verantwortlichen von mindestens fünf Gewerken. Auch Oliver Ickstadt, Geschäftsführer der Reinhard und Sonja-Ernst Stiftung als Bauträgerin, steht dabei, und es wird intensiv diskutiert. Obwohl Schmied die Planung aus dem Effeff kennt, jedes Detail mit dem Architekten diskutiert sowie unzählige Simulationen und Berechnungen durchgeführt hat, tauchen vor Ort immer wieder Fragen auf, die es sofort zu lösen gilt. Welche das sind und wie Martin Schmied zum Museum Reinhard Ernst kam, erfahren wir im Gespräch bei einem Gang über die Baustelle.


Guten Tag Herr Schmied – darf ich als erstes direkt fragen, was der heutige Inhalt des Baustellengesprächs war?

Zum einen ging es tatsächlich um den vielbesagten Rohstoff-Engpass, zum anderen aber auch um die Koordination der Gewerke. In einem normalen Haus wird im Keller die Heizung montiert und dann arbeiten die Gewerke von unten nach oben und kommen sich nicht in die Quere. Hier haben wir aber vier Technikzentralen auf verschiedenen Ebenen verteilt. Grundsätzlich arbeiten wir zwar auch von unten nach oben, aber durch die Komplexität und die offene Architektur sind wir schnell in allen Geschossen. Dazwischen müssen dann der Trockenbauer und Elektriker ihre Arbeit verrichten.

Bevor wir nun den Lüftungsrohren im Gebäude folgen, würde mich interessieren, wie Sie zu Ihrer Position als Geschäftsführer der FC-Planung GmbH in Frankfurt gekommen sind. Was muss man dafür gelernt und studiert haben?

Ich habe ursprünglich Versorgungstechnik an der Fachhochschule Münster studiert und als Diplom-Ingenieur abgeschlossen, dann als Projektingenieur in einem Ausführungsbetrieb und später als Projektleiter in einem Ingenieurbüro gearbeitet. Berufsbegleitend habe ich mich zudem zum Betriebswirt des Handwerks, zum brandschutztechnischen Fachplaner sowie zum DGNB-Auditor weitergebildet. Übrigens handelte meine Diplomarbeit seinerzeit vom konservatorischen Raumklima.

Was muss ich mir unter einem konservatorischen Raumklima vorstellen?

Räume, die schützenswertes Kulturgut beinhalten, brauchen ein spezielles Klima. Die Anforderungen an die Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind enorm hoch. Wenn noch Publikumsverkehr wie im Museum dazu kommt, dann ist das definitiv eine Herausforderung bei der Planung, aber auch im Alltag für die Anlagen. Wir haben im Museum Reinhard Ernst neben den klassischen Museumsräumen auch Bereiche wie das Forum, Bistro oder den Kreativraum, wo viele menschen- und wettergemachte Einflüsse sowie Temperaturschwankungen herrschen können. Stellen Sie sich eine Vortrags-Veranstaltung im Winter vor. Zweihundert Gäste strömen praktisch gleichzeitig mit schneenassen Schuhen von der Kälte ins Warme. Sie setzen sich auf die Stühle im Forum. Um die Feuchtigkeit schnell abzusaugen, müssen wir am Boden Luft einströmen lassen und an der Decke absaugen. Hier ist zwar kein Museumsklima zu halten, aber dafür möchten wir verhindern, dass es zieht, man irgendwelche Geräusche hört und den Gästen unwohl ist. Um hier keine Fehler zu machen, wurde extrem viel gerechnet, zusammen mit der Bauphysik wurden Simulationen erstellt, Muster gebaut und Proben gemacht. Herr Ernst legt auf diese Details sehr viel Wert.

Wie und wann kam es zur Zusammenarbeit mit dem Museum Reinhard Ernst?

2017 kam die erste Anfrage, und so haben wir zur ersten Kick-off-Sitzung direkt ein Konzept mitgebracht. Richtig los ging es 2018. Dieser einzigartige Bau sowie der Perfektionismus vom Architekten Maki haben mich und das ganze Team gereizt. Normalerweise gehören öffentliche Bauten, Hotels oder Industriebauten zu unseren größten Projekten. Die Komplexität im Gesamtkonzept kombiniert mit dem hohen Anspruch des Bauherrn machen dieses Projekt zu etwas ganz Besonderem. Entsprechend aufgeregt sind wir im April 2018 dann auch nach Tokyo geflogen und haben uns u. a. mit dem Architekten vom Maki-Office, Michel van Ackere, getroffen. [Anmerkung: Hier finden Sie ein Interview mit Michel van Ackere.]

Was sind und waren die Herausforderungen mit dem Architekturbüro?

Mit Michel van Ackere wurde ALLES diskutiert: jede Achse, jede Ecke, jeder Wanddurchbruch … Es ist phänomenal, wie exakt bei diesem Bau auf jedes Detail geachtet wird! Das hatte zur Folge, dass wir uns als fc-Team bei der Planung oft gespiegelt, die Erfahrung zusammengelegt und stets die beste Lösung gesucht haben. Heute telefonieren wir einmal pro Woche mit Michel. Dieser hohe Anspruch war manchmal Fluch und Segen zugleich. Hier mussten wir richtig viel Ingenieurwissen nutzen und mussten auch mal Formeln und Rechnungen anwenden, die auf „gewöhnlichen“ Baustellen nicht benötigt werden. Daneben kam die Herausforderung der Zeitverschiebung, der Video-Calls und auch der Sprache hinzu. Kennen Sie zum Beispiel den Begriff der Brandschutzklappe auf Englisch?

Hm – nein, solche Fachbegriffe sind mir nicht bekannt. Was ist für Sie das Spezielle an diesem Bau?

Vor Kurzem durfte ich die Kunstsammlung von Herrn Ernst sehen. Seither habe ich schlaflose Nächte. Diese Werke mit einem optimalen Raumklima zu schützen, ist der ganze Inhalt unserer Arbeit.

Was bedeutet das konkret?

21° C und 50% Luftfeuchtigkeit sind die Sollwerte und somit die Messlatte für den Großteil des Gebäudes. Um dies sicherzustellen, werden drei Lüftungszentralen mit zwölf Anlagen gebaut. Diese bedienen unterschiedliche Räume, können individuell gewartet werden und vereinfachen die individuelle Steuerung der einzelnen Zonen. Dafür werden ca. 14.000 Quadratmeter Lüftungskanal, ca. 450 Kilometer Kabel und ca. 12 Kilometer Rohrleitung verlegt.

Sind zwölf Anlagen denn überhaupt nachhaltig?

Zwölf „kleine“ Anlagen machen in einem Gebäude mit verschiedenen Nutzungsbereichen definitiv mehr Sinn als eine große. Zum einen sind die Luftwege kürzer, zum anderen kann viel feinfühliger justiert und somit bestehende Wärme und Kälte optimal im Gebäude genutzt werden. Die Anlagen haben eine hohe Effizienz, sind flexibel schaltbar und erlauben, auf jeden Raum einzeln zuzugreifen. Sind die Bürozeiten beispielsweise vorbei, kann die Energie dort heruntergefahren und für die Abendveranstaltung im Forum genutzt werden.

Worauf wurde sonst noch beim Thema Nachhaltigkeit geachtet?

Im ganzen Gebäude wird die grün erzeugte Fernwärme der Stadt – auch als ökologische Wärme bekannt – genutzt. Der Bauherr hätte auch gerne auf Erdwärme zurückgegriffen, doch dies war an der Ecke der Wilhelmstraße leider nicht möglich. Der Strom kommt über die Photovoltaik-Anlage auf dem begrünten Dach. Außerdem wird im Haus ein Wärmeluft-Rückgewinnungssystem genutzt, sodass wir nicht viel Energie zur Kühlung oder Erwärmung der Luft benötigen.

Sie arbeiten und wohnen in Frankfurt – wie oft pendeln Sie zur Baustelle? Wer unterstützt Sie?

In der Planungsphase waren wir in Spitzenzeiten mit bis zu vierzehn Mitarbeitern am Projekt. Jetzt – in der Bauausführung – sind wir noch zu fünft. Ich persönlich komme mindestens einmal pro Woche an die Wilhelmstraße 1 nach Wiesbaden. Daneben sind aber die ausführenden Firmen mit über 60 Männern im Gebäude beschäftigt.

Wann ist Ihre Arbeit beendet?

Noch in diesem Jahr werden wir alle großen Komponenten im Gebäude oder auf dem Dach haben, sodass wir uns 2022 nur noch auf den Aufbau und die Verbindungen der Anlagen im Museum konzentrieren können. Mit den Probeläufen am Ende der Bauzeit und der Inbetriebnahme wird meine Hauptarbeit beendet sein. Danach folgen bestimmt gewisse Feinjustierungen und die Lernphase, sodass die Anlagen optimal an die Auslastungen des Museums angepasst werden können. Mit der Zeit bleibt dann nur noch die Wartung und der regelmäßige Filterwechsel. Dann sind wir aber schon raus, und die Stiftung hat den Betrieb übernommen.

Herzlichen Dank für die spannenden Einblicke in Ihren Arbeitsbereich, Herr Schmied!

Das Gespräch führte Catherine S. Dallmer
mre-Öffentlichkeitsarbeit