19.10.2023

Eine Hommage an Lee Krasner

Radikal, hartnäckig und talentiert – diese Eigenschaften verbindet unsere Kuratorin Lea Schäfer mit der US-amerikanischen Künstlerin Lee Krasner. Anlässlich ihres 115. Geburtstags (27.10.1908) widmen wir ihr im Monat Oktober einen Geburtstagsgruß. Erfahren Sie hier, was die Kuratorin des mre an Krasner besonders beeindruckt:

Lee Krasner, Peacock, 1973 © VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Auch heute aktuell: Ein Bezugspunkt für junge Künstler:innen

Lee Krasner befragte ihre Arbeiten regelmäßig mithilfe der Malerei und erforschte mit ihr das eigene Ich. Jedes Werk brachte sie dazu, ihren Standpunkt zu hinterfragen und sich neu zu erfinden.

„Ich habe einen Stapel Zeichnungen gemacht, die ich im Studio aufgehängt hatte, und als ich eines Tages reinkam, hasste ich sie und zerriss sie alle und warf sie auf den Boden. Und als ich einige Tage später wieder ins Studio ging, sahen sie auf diese Art plötzlich ziemlich gut aus.“

Im nachfolgenden Video spricht Krasner über ihre Karriere und künstlerischen Schaffensprozesse:

 


Lee Krasner erkannte in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine wechselseitige Beziehung: Nichts entsteht im luftleeren Raum. „Ich bin nie frei von der Vergangenheit, ich glaube an Kontinuität. Für mich ist sonnenklar, dass die Vergangenheit Teil der Gegenwart ist, die wiederum Teil der Zukunft ist“, schrieb sie 1979.

Die Frage, welche Formen Malerei annehmen und was sie als Kunstform ausdrücken kann, wird von jeder Generation neu verhandelt. Dass Wegbereiter:innen der Abstraktion, wie Lee Krasner, für junge zeitgenössische Künstler:innen wichtige Bezugspunkte darstellen – und ihnen gleichermaßen als Inspiration und Abgrenzung dienen –, zeigt auch die Sammlung Reinhard Ernst. In neuen Bildern klingen die Werke vorausgegangener Generationen nach.

Der unbeugsame Weg einer Künstlerin

Im Entstehungsjahr von Peacock erklärte die Künstlerin in einem Fernsehinterview, die mangelnde Anerkennung ihrer Werke hänge nicht nur damit zusammen, dass sie in den 1950er-Jahren eine aufstrebende weibliche Künstlerin war, sondern auch damit, dass sie jüdisch sei. Tatsächlich wurde sie bis Ende der 1970er-Jahre hauptsächlich von jüdischen Frauen der New Yorker Kunstszene wie den Kunstkritikerinnen und Kuratorinnen Barbara Rose oder Marcia Tucker unterstützt und ausgestellt.

Lee Krasner hat als junge Frau am eigenen Leib erfahren, wie viel Kraft, Talent und Hartnäckigkeit es braucht, um sich gegen die vielerorts institutionelle Diskriminierung von Künstlerinnen durchzusetzen. In der Vereinigung Women in the Arts protestierte sie gegen die mangelnde Berücksichtigung von Frauen in der Kunstwelt. Mit ihrer klaren Haltung und ihrem Aufbegehren gegen die lückenhafte Repräsentation von Künstlerinnen in der Kunstgeschichte ist sie bis heute für viele ein Vorbild. In einer Zeit, in der Frauen weder in der Gesellschaft noch im Kunstdiskurs Würdigung erfuhren, ist Lee Krasners künstlerische Eigenständigkeit radikal.

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