21.08.2023

Der Künstler, der mit Licht malt

Malerei oder Fotografie – welches Medium vermuten Sie hinter dem abgebildeten Kunstwerk?

Wolfgang Tillmans (1968), Freischwimmer 193, Chromogendruck, 227 cm × 171 cm

In der Malerei und in der Bildhauerei werden die Grenzen der Abstraktion immer wieder erweitert: Mut zur Lücke und die Lust am Experiment gehören dazu. Auch in der Fotografie suchen Künstler nach neuen Wegen. Ein gutes Beispiel dafür sind die Arbeiten des in Berlin und London lebenden Künstlers Wolfgang Tillmans.

Wie entstehen Tillmans’ Arbeiten?

Durch fotografische Experimente in der Dunkelkammer entwickelte Tillmans zu Beginn der 2000er-Jahre die Werkreihe Freischwimmer. Was mit einem Missgeschick begann, entfaltete sich später durch gezieltes Eingreifen zu einer faszinierenden Serie des Künstlers. Der Zufall war im Spiel, als sich während eines chemischen Entwicklungsvorgangs unbeabsichtigte Strukturen auf seinen Fotografien bildeten. Die Ergebnisse reizten Tillmans – und so begann er schon bald, die entstehenden zarten Fäden und wolkenähnlichen Verdichtungen gestalterisch zu nutzen.

Dabei schuf Tillmans Bilder ganz ohne Kamera und ohne Motiv. Auch wenn der Titel des Werks zunächst eine Assoziation von fließenden Chemikalien hervorruft, ergeben sich die Strukturen tatsächlich durch die Bewegung des Lichts. Dieses steuert der Künstler mit seinen Händen und unter Verwendung von Licht ausstrahlenden Werkzeugen. Er malt sozusagen mit dem Licht!

Symbolbild Dunkelkammer

Die entwickelten Bilder scannte Tillmans anschließend ein und druckte sie in beachtlicher Größe aus. 227 × 171 cm betragen die Maße von Freischwimmer 193, eines von sieben Kunstwerken des Fotografen in der Sammlung Reinhard Ernst.

Der schmale Grat zwischen Fotografie und Malerei

Tillmans belichtete und entwickelte in der Dunkelkammer. Von einem rein technischen Standpunkt aus kann das Kunstwerk also als Fotografie betrachtet werden – gleichzeitig stellt es jedoch nichts Konkretes dar. Die Strukturen im Bild, die wie fließende, flüchtige Farbschleier wirken, sind lediglich ein Spiel mit dem Medium Fotografie. Tillmans entwickelt durch seine originellen Experimente eine neue Bildsprache, in der die Grenze zwischen abstrakter Fotografie und Malerei fast wortwörtlich verschwimmt.


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